Der Gründer des KTV St.Gallen:
Christian Albert Rothenberger v/o Atlas Primus (1867 – 1950)
Albert Rothenberger war ein Grossonkel von mir, ein Bruder meiner Grossmutter väterlicherseits. Ich habe die Familie noch in guter Erinnerung. Christian Albert Rothenberger kam am 8. November 1867 in St.Gallen zur Welt. In seiner Vaterstadt verlebte er auch seine Jugendzeit. Schon in jungen Jahren war er begeisterter Turner und darum auch Mitglied des Stadtturnvereins. Er kehrte oft lorbeerbekränzt von Turnfesten heim. Als Gymnasiast konnte er auch die Mitschüler für seine Ideale begeistern, was sich 1886 in der Gründung des KTV niederschlug. In dieser Zeit war Albert Rothenberger selber Mitglied der Zofingia, die damals in der Schweiz im turnerischen Bereich eine Vorreiterrolle gespielt hatte. Da der KTV in der Gründerzeit keine farbentragende Verbindung war, konnten auch Mitglieder der damals an der Kantonsschule aktiven Verbindungen (Zofingia, Rhetorika, Humanitas und Technika – später Minerva) beitreten. Albert Rothenberger trat kurz darauf allerdings aus der Zofingia aus.
Das Gedeihen des KTV war ihm zeitlebens ein wichtiges Anliegen. Seinen Cerevis Atlas Primus erhielt er erst, als er bereits Mitglied des Altherrenverbands war. Die Familie Rothenberger war später im KTV gut vertreten: Der vierzehn Jahre jüngere Bruder Arnold v/o Fidel (aktiv 1899 – 1901) war später Professor für Physik und Mathematik an der Kanti Trogen. Sein Sohn Albert v/o Ueli (aktiv 1923 – 1924) lebte als Künstler in Genf und war später in St.Gallen für eine wohltätige Institution tätig. Albert Rothenbergers Schwiegersohn Victor Laager v/o Strato, Papierfabrikant und Brigadekommandant, war im AHV gut bekannt – nicht zuletzt, weil er jeweils zu Fuss von Bischofszell an den Samstagsstamm im Spittel kam.
Albert Rothenbergers Berufung war die Theologie. Sein Studium führte ihn nach Genf, Basel und Jena, wo er sich jeweils ebenfalls den bestehenden akademischen Turnerschaften anschloss – in Basel etwa der Alemannia. Während vieler Jahrzehnte war er nicht nur Kampfrichter, sondern auch Turnerpfarrer an Turnfesten landauf und landab, wo er in seinen Ansprachen an den sonntäglichen Festgottesdiensten das Turnen zu Gott und Heimat in Beziehung setzte.
Nach seiner Ordination wirkte er im Glarnerland und in Basel, wo er auch seine Gattin kennen lernte. 1901 kehrte er nach St.Gallen zurück, wo er Pfarrer an der Linsebühlkirche wurde. Bis zur Gründung der selbständigen Kirchgemeinde Tablat betreute er mit seinen Amtskollegen zusammen auch die Protestanten von Wittenbach und Bernhardzell und fuhr jeweils mit der Pferdekutsche zum Gottesdienst oder zum Konfirmandenunterricht. Hier waren Klassen von 100 bis 160 Schülern eine Selbstverständlichkeit für ihn. Zweifellos kam ihm dabei seine Respekt gebietende Konstitution zugute. Meine Mutter erzählte später, dass er von den Schülerinnen in der damaligen Töchterschule Talhof bewundert wurde, weil er mit einer Flanke über den Zaun auf den Schulplatz kam.
1912 wurde er Dekan des Kirchenkapitels St.Gallen (bis 1935), war Mitglied im Vorstand des schweizerischen evangelischen Kirchenbunds und während 48 Jahren in der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt St.Gallen. Besonders am Herzen lag ihm die Jugendfürsorge. Nach 34 Amtsjahren trat er Ende 1935 in den Ruhestand und siedelte mit seiner Frau an die Felsenstrasse. Für kurze Zeit musste das Ehepaar später noch ins Altersheim Singenberg umziehen. Im Studierzimmer seines Nachfolgers im Pfarramt erlitt er bei der Besprechung eines Fürsorgefalls einen Hirnschlag, dem er in der darauf folgenden Nacht, am 1. Mai 1950, erlag.
Hans Rupp v/o Plus